„Sicher gibt es Tausendsassas. Aber eben nicht jeder ist einer.“ (Sebastian Gehrlein)
Meinem ersten Blogartikel hatte ich ein Zitat der Anstalt für politische Bildung vorangestellt. Da wurde schon vor sechs Jahren das Bild eines neuen Journalistentyps gezeichnet. Einer, der alles kann und alles macht: Schreiben, Skripten, Videos drehen, Fotos machen.
Online und Crossmedia gehören hier nicht zusammen
Diesmal also ein Zitat von Sebastian Gehrlein. Er gehört zur Wellenleitung von YOU FM und verantwortet dort die Crossmedia-Aktivitäten. Sein Zitat steht für den Spirit von YOU FM: Keine Tausendsassas, sondern Profis in jedem Bereich. Deshalb trennt YOU FM zum Beispiel zwischen Online und Crossmedia: Es sitzen zwar zwei Kollegen von hr-online mit in der Redaktion. Man leistet sich aber sogar eine eigene, kleine Crossmedia-Redaktion, die Videos und Fotos macht, die sozialen Netzwerke betreut, das Netz nach Themen durchforstet. Auch die sitzt schön nah an allem, mitten in der Redaktion.
Anna Pöhler über den Tag in der Crossmedia-Redaktion
„Morgens recherchiere ich erst einmal den Crossmedia-Newsletter, der später an die Redaktion rausgeht. Dabei checke ich, was für den Tag Spannendes im Netz passieren wird oder was vom letzten Tag noch wichtig ist. Der Newsletter geht um 10 Uhr raus.
Dann checke ich meistens erst einmal die Netzwerke und schaue, welche Themen sich für Postings bei Facebook und Twitter anbieten. Das verteile ich dann über den Tag.
Wenn unsere Radiosendungen ein Thema aus dem Newsletter umsetzen möchten, bereite ich danach ein Kollegengespräch vor: Ich recherchiere das Thema und bin dann als Expertin in den Sendung zu Gast und berichte.
In Zusammenarbeit mit der Online-Redaktion bringen wir das Thema auch noch auf unsere Website. Das heißt: Es gibt alle Infos aus dem Gespräch mit weiterführenden Infos und Links noch einmal online.
Oft ist es auch so, dass an einem Tag noch Künstler vorbei kommen oder die Shows Aktionen planen, die ich dann filmisch begleite, zum Beispiel Rita Ora unplugged bei YOU FM. Wenn ich das gefilmt habt, schneide ich es, stelle es auf unserer Website und bei YouTube online und streue es danach in den Netzwerken.
Am Ende des Tages kommt gegen 17 Uhr immer die neue tagesWEBschau. Die stelle ich dann auch auf unserer Seite online. Und dann geht’s in den Feierabend.“
Nicht jeder muss alles können, aber alle sollten mitdenken
Damit alle Redakteure von YOU FM „Crossmedia mitdenken“, organisiert die Redaktion zum Beispiel Videoworkshops für die Radiomacher. Das passiert aber nicht, damit sie am Ende Videos drehen können, sondern damit sie ein Gefühl dafür bekommen, wie man Themen im Bewegtbild umsetzen kann – wenn das Programm geplant wird, soll das dann immer im Hinterkopf bleiben.
Klar, klappt das nicht immer, aber ich hatte zumindest das Gefühl, dass hier ein Team zusammenarbeitet, das sich auch als solches empfindet. Als Gesamtheit, die an einer gemeinsamen Marke arbeitet und sich als solche versteht. Das macht crossmediales Arbeiten schon einmal einfacher, wenn es nicht sogar die Basis ist.
Der Content soll zu den Leuten kommen
Ein Relaunch der Website hat YOU-FM.de schlanker gemacht. Die Philosophie dahinter: Nicht alles kommt ins Netz. Die Website soll Highlights abbilden und eine „Verteilerfunktion“ haben: Die Zeit, die durch die schlankere Website übrig bleibt, nutzt YOU FM, um die Inhalte dann dorthin zu bringen, wo die Leute sind: in die sozialen Netzwerke. Neu finde ich das nicht, denn das versuchen doch fast alle Medien. Tageszeitungen bei Twitter sind dafür wohl das beste Beispiel.
Die Hörer von YOU FM beeinflussen über die Website die Playlist
Neu und besonders simpel erscheint mir dafür die Möglichkeit der Hörer, über die Website Einfluss auf den Musiklaufplan zu nehmen. Wir sprechen hier nicht von Charts, für die es ja schon lange Abstimmungen gibt, sondern über die Rotation selbst: Like oder Dislike entscheiden. Wie Auswertung und damit Gewichtung gegenüber klassischen Abfragen funktioniert, damit wird aktuell noch experimentiert. Erst einmal ein kleiner Ansatz, aber für mich genial: Verbindung von on air und online geglückt.
Teilhabe der Hörer/Nutzer, und das auch noch mit einem Prinzip, das sie da abholt, wo sie sich aktuell tummeln – ich finde das bemerkenswert. Es wirkt im ersten Moment so klein und simpel, aber man kann es ja auch weiterführen: Können Hörer in Zukunft neben Musik auch über Inhalte zum Beispiel für eine Frühsendung entscheiden? Und wollen sie das überhaupt?
Auf jeden Fall zeigt YOU FM die Wege von Crossmedia: Sie können mehr sein als mal eben ein Video hochzuladen.
Kopfrauschen
Das hat sich gut angefühlt bei YOU FM! Ist das also der Schlüssel zum Erfolg? Ganz nahe räumliche und geistige Zusammenarbeit? Universalkompetenz nicht von jedem verlangen, weil man sonst womöglich Gefahr läuft, Kernkompetenzen zu verwässern? Fragen, die ich auch Jan Vorderwülbecke, dem Wellenchef von YOU FM, gestellt habe. Folgt. Bald.