Multimedial: ja. Crossmedial: nein. Synergieeffekte schaffen.

Ein langer Tag am Dienstag beim hr. Viele Eindrücke. Viele neue Fragen. Aber auch einige Ideen. Starten wir bei der hr-online-Redaktion und damit mit einem Versuch, den hr als großes Ganzes zu überblicken.

„Sachen von A nach B zu kopieren, ist nicht Crossmedia! Crossmedia ist, ein Produkt zu schaffen, das man gemeinschaftlich auf allen Verbreitungswegen plant, und das konkurrenzfähig!“ (Jan Eggers)

Jan Eggers habe ich Montagmittag getroffen. Er ist Social-Media-Manager für den gesamten Hessischen Rundfunk! Eine Riesenanstalt, die eigentlich alles mitbringt, was man zum crossmedialen Arbeiten braucht. Radio, TV, Online.

Der Kampf gegen die Beharrungskräfte

Was man aber auch hat, und das wird schnell im Gespräch klar, sind sehr alte gewachsene Strukturen, die nicht so schnell vorhaben, zu gehen. Jan nennt das „Beharrungskräfte“. Und hier wird gerangelt und an der Bettdecke gezogen. Kompetenz, Gewichtung und auch ein Stück Ego. Oder wer ist jetzt das wichtigere Medium? Naja, und dann funktionieren sie ja auch gut, für sich. „Vielleicht funktionieren Massenmedien wie Radio und TV immer noch zu gut“, darüber denkt Jan nach.

Mhm, das würde doch heißen: Man bräuchte eine Krise, einen Urknall, damit man bereit ist, näher zusammenzurücken? Ein Urknall, der mit dem Generationenabriss kommen könnte. Auf der anderen Seite: Erleben die Zeitungen den nicht gerade schon schmerzvoll? Und müsste das nicht im Umkehrschluss bedeuten, dass sie den crossmedialen Schritt zuerst machen?

Die Angst, das Kernprodukt zu schwächen

„Ich persönlich glaube, dass wir weiter sein müssten. Aber Altes darf auch nicht kaputt gemacht werden, weil wir mit etwas Neuem beginnen.“ (Jan Eggers)

Aber selbst, wenn man bereit wäre, näher zusammenzuarbeiten, käme das nächste Problem: Um crossmedial arbeiten zu können, braucht man auch Energie, Leistungsträger, die an anderer Stelle abgezogen werden müssten. Und hier beginnt die Angst, das Kernprodukt, also TV oder Radio in diesem Fall, zu schwächen. Am Ende entscheidet nun mal die Quote und nicht die Followerzahl auf Twitter, die Likes auf Facebook oder die Abonnenten auf YouTube.

Aber Moment! Synergieeffekte sparen Arbeit, und damit würden auch wieder Energien frei, oder nicht? Denn Crossmedia kann ja nicht nur bereichern, sondern auch die Arbeit erleichtern. Aber nur, wenn man es wirklich bis in die letzte Konsequenz tut. Weil wir aber nicht „wirklich“ medienübergreifend arbeiten, sondern höchstens „so ein bisschen“, kostet es uns viel Energie, und die sind wir nicht bereit, zu investieren. Vielleicht ist das ein Stück zu einfach gedacht, weil am Ende auch immer eine ganze Personalplanung dranhängt – und das ist in großen Läden wie dem hr mit am schwierigsten umzusetzen.

Jan Eggers und Susanne Mayer. An der hr-Online-Front unterwegs, was bei einem so riesigen Laden, garnicht so leicht ist.

Susanne Mayer und Jan Eggers. An der hr-online-Front unterwegs, was bei einem so riesigen Laden, gar nicht so leicht ist.

Wie will der hr dieses Problem lösen?

Die Antwort hat Susanne Mayer von den hr-online-Nachrichten, die ich noch nicht erwähnt habe, weil sie erst später zu Jan und mir gestoßen ist. Ein erster Schritt dahin soll der Trimediale Desk werden. Trimedial, ein Begriff der heute hier im hr wie ein Zauberwort immer wieder auftauchte. Fernsehen, Radio und Online soll der Trimediale Desk dann vereinen. Inhaltlich und räumlich. Wie er am Ende genau in der Praxis arbeiten wird, das kann mir Susanne auch noch nicht sagen.

Fest steht aber: Der Trimediale Desk wird fünf Tage die Woche besetzt sein. Also wieder das Stichwort: Personalplanung und Leistungsträger. Geübt hat man schon seit August 2011 mit den (und hier ist er auch schon wieder!) Trimedialen Thementagen: Einmal die Woche setzen Hessenschau, hr-online, Hessen-Nachrichten, hr1, hr-iNFO und hr3 ein Thema zusammen um, bewerben sich gegenseitig. Die Schwierigkeit: eine gemeinsame Themenfindung für alle Zielgruppen, findet Susanne.

Am Trimedialen Desk hantiert der MDR schon seit November 2010. Und zeigte sich nach einem Jahr auf der eigenen Homepage selbst zufrieden.

„Der trimediale Newsdesk hat im Mitteldeutschen Rundfunk eine kleine Revolution angestoßen. Statt wie bisher getrennt zu planen, wird immer mehr gemeinsam in Inhalten und Themen gedacht. Der MDR ist schneller, flexibler, effektiver geworden und gehört damit zu den Vorreitern in der ARD.“ (MDR-Chefredakteur Stefan Raue)

Die Ergebnisse sieht man an Thementagen wie „Russlands Wahl – Putins Poker“ über „Die Jahrhundertflut – 10 Jahre danach“ oder der Themenwoche „Leben mit dem Tod“. Hört sich alles gut an, oder? Wäre da nicht meine Erfahrung aus einem Praktikum bei einer jungen Welle der ARD, wo ich erlebt habe, wie wenig sich eine einzelne Redaktion mit einem dieser Thementage identifizieren konnte. Das Problem wiederholt sich immer wieder: gemeinsame Themen für unterschiedliche Zielgruppen finden.

Die Probleme hinter den Kulissen sieht und hört man auch

Gerade am Beispiel der Themenwoche „Leben mit dem Tod“ hatte ich das Gefühl, dass am Ende ein sperriges Produkt stand, das zwar crossmedial geplant ist und sich aller Medien bedient, sich aber am Ende für mich nicht so anfühlt. Es wirkte gewollt. Von der Riesenkampagne bis zum Eigenlob. Aber sollte gute Crossmedia-Arbeit nicht genau das Gegenteil sein? Sollte sie nicht „normal“ sein? Oder muss man diesen Schritt vielleicht wagen oder in Kauf nehmen? Akzeptieren, dass es sich erst mal auch innerhalb des Apparats nicht überall gut anfühlt, um langfristig ein crossmediales Denken, eine crossmediale Kultur zu schaffen?

Kopfrauschen

Der erste Tag hat wahnsinnig viele Fragen aufgeworfen. Fragen denen ich weiter nachgehen werde und zu denen sich wohl noch viele weitere gesellen werden. Denn der hr ist ja nur ein Beispiel und kämpft mit anderen Problemen als kleine, private Radiosender wie der, aus dem ich komme. Auch darüber werden wir sprechen. Am Ende wird wohl keine Patentlösung stehen, aber viele Ideen und Gedanken.

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