Der Crossmedia-Check – was bleibt?

Zwei Wochen Crossmedia-Check sind zu Ende. Gestartet bin ich mit vielen Fragen im Kopf.

Ist Crossmedia weiter nur ein Buzzword? Oder wird es im stressigen Alltag praktisch gelebt? Wie weit sind die Redaktionen vorangekommen, was die Verbindung mit dem Internet angeht? Bleibt es beim Teaser auf die Website oder findet echte Interaktion statt? Welche Strategien konnten die Redaktionen für sich entwickeln? Wie wirkt sich das auf die Redaktionsarbeit aus? Welche Herausforderungen bestehen noch?

Buzzword – Ja oder nein?

Nein, ist es nicht! Es gibt crossmediales Arbeiten. Die qualitativen Unterschiede, die Bereitschaft und das Interesse daran klaffen in der deutschen Medienlandschaft aber wahnsinnig weit auseinander. Angefangen bei Onlinern, die verzweifeln, weil sie den Redaktionen erst einmal erklären müssen, was Facebook ist, bis zu Redaktionen, die an ihrer Website verzweifeln und sich fragen, wer diese komischen Menschen sind, die da die Sache mit dem Internet machen, weil sie diese Menschen noch nie gesehen haben.

Es gibt kein Patentrezept für Crossmedia, aber es gibt Eckpunkte, die sich in fast allen Redaktionen wiederfinden, in denen Crossmedia funktioniert.

Ein bisschen Esoterik

Ein wichtiger Faktor scheint die menschliche Nähe zu sein. Wir müssen keinen Sitzkreis machen und uns an die Hände nehmen. Aber Crossmedia funktioniert immer da gut, wo die einzelnen Akteure eine enge Zusammenarbeit miteinander pflegen.

Damit meine ich vor allem eine räumliche Nähe: Erst aus ihr können Verständnis, Interesse und Respekt für die Arbeit des Anderen entstehen. Oft wird crossmediale Arbeit als Mehraufwand empfunden. „Jetzt soll ich auch noch was für Online machen!?“ „Die vom Radio wollen auch noch was!?“ Da, wo es plötzlich nicht mehr „die“ sind, sondern Kollegen mit Namen und Gesichtern, sieht die Sache schon anders aus.

Markenbewusstsein

Die Nähe ist der eine Faktor, der andere ist die Trennung vom Spartendenken. Es gibt nicht „die Anderen“, sondern nur uns, also: „wir“. „Wir“ als gemeinsames Produkt.

Nach wie vor finde ich die These von Jan Vorderwülbecke, dem Wellenchef von YOU FM, spannend der sagt, das sei gar kein neues Problem: Sport gegen Kultur, Musik- gegen Wortredaktion – das habe es schon immer gegeben. Eine Redaktion gut zu führen, bedeute, genau dieses Problem zu überwinden.

Wenn wir effektiv crossmedial arbeiten möchten, müssen wir das Gefühl haben, an einer gemeinsamen großen Sache zu arbeiten. Nur ein Gesamtpaket kann gut werden: bei dem man aufhört, eine Zeitung, ein Radio oder ein Fernsehsender zu sein, sondern gemeinsam eine Marke ist.

Raus aus dem Alltag

Der Weg scheint mühsam, kleinschrittig und manchmal frustrierend. Ich persönlich glaube auch nicht an große Reformen, die plötzlich alles umwerfen. Es sind vielmehr die vielen kleinen Schritte wie beim MDR Sachsen-Anhalt, wo man versucht, die einzelnen Ausspielwege über Leuchtturmprojekte an einen Tisch zu holen. Losgelöst vom Alltag, der viel stärker in seinen Strukturen verkrustet ist.

„Raus aus dem Alltag“ kann aber auch heißen, nicht nur auf engere Zusammenarbeit zu setzen, sondern sogar mal die Rollen zu tauschen, so wie bei DRadio Wissen: Onliner werden zu Moderatoren, Moderatoren zu Sendeplanern, Sendeplaner zu Musikredakteuren.

Also doch der Tausendsassa?

Ich glaube, es wäre ein Fehler, diesen Anspruch an jeden zu haben. Genauso überzeugt bin ich aber davon, dass jeder junge Journalist eine crossmediale Ausbildung erhalten sollte. Allein um das Verständnis dafür zu schaffen, später zwar keine Multimediamaschine zu sein, aber doch crossmedial arbeiten zu können. Und eins steht auch fest: Oft sind es diese Tausendsassas, die eine Redaktion nach vorne bringen können, weil sie als Individuen vorleben, was die Redaktion gemeinsam schaffen sollte.

Und wo stehen wir?

Am Anfang. Was ziemlich spannend ist, denn es wird weiter Herausforderungen an unseren Job geben, die ihn verändern. Veränderung kann Angst machen, ist aber auch das Gegenteil von Monotonie und Langeweile. In den USA zeigt sich jetzt schon, wie insbesondere die Zeitungskrise den Druck erhöht – und damit auch die Bereitschaft, etwas zu verändern. Medienjournalistin Ulrike Langer bloggt darüber. Sehr spannend zu lesen!

Die Huffington Post hat zum Beispiel vorgemacht, wie soziale Netzwerke die Mediennutzung durch Personalisierung verändern können. Seit August 2009 bietet die Huffington Post dank Facebook eine erfolgreiche und auf jeden Benutzer abgestimmte Form ihrer Website an. Und auch die zunehmende parallele Nutzung von Fernseher, Smarthone und Tablet wird die Medienlandaschaft weiter verändern.

„Content anytime and anywhere“ ist ein Leitbild, das nicht nur bei ProSiebenSat.1 als Motto herumgeistert. Um ein stimmiges Gesamtprodukt auf allen Ausspielwegen überhaupt liefern zu können, halte ich crossmediale Zusammenarbeit für unabdingbar. Der finanzielle Druck wird das Übrige tun. Die Tatsache, dass Crossmedia oft dort besonders gut funktioniert, wo dieser Druck schon da ist, weil die Ressourcen beschränkt sind, spricht für diese These.

„Wir tanzen hier keinem das Internet vor!“ – Crossmedia bei DRadio Wissen

Während die erste Woche meines Crossmedia-Checks durch die Tendenz „Nicht jeder muss alles können“ geprägt war, habe ich in der zweiten Woche Menschen getroffen und Redaktionsalltage gesehen, bei denen es wieder in die ganz andere Richtung ging.

Beispiel: DRadio Wissen. Seit etwas über zwei Jahren sendet das dritte Vollprogramm des Deutschlandradios – nicht über UKW, sondern primär über DAB+ und das Netz.

Besondere Nähe zu Online?

Schaut man sich die Website von DRadio Wissen an, vermutet man das erst einmal nicht: Für ein Produkt, das jenseits des konventionellen Ausspielweges sendet, erscheint mir die Website wenig progressiv. Gut, man findet ein reiches Angebot an Hörbarem (übrigens eine Extrarubrik online: die hör-bar), aber sonst: Das für mich wahre Revolutionäre schlummert im Detail.

Anja Stöcker verantwortlich für Online bei DRadio Wissen

Anja Stöcker, mit verantwortlich für Online bei DRadio Wissen

Das Netz ist bunt

Als dieser Satz Anja Stöcker, mit verantwortlich für das Online-Angebot von DRadio Wissen, in unserem Gespräch über die Lippen kam, hab ich mich gefreut: „Ich werde niemanden das Internet vortanzen, aber manchmal fühle ich mich so!“

Deshalb setzt DRadio Wissen auf eine andere Strategie: Jeder in der Redaktion durchläuft die verschiedensten Stationen, damit Menschen wie Anja nicht da stehen und Uninteressierten eine graue Internetwelt vortanzen müssen. So grau ist die nämlich nicht. Das Netz ist bunt! Und das sollen alle Kollegen begreifen.

„So lange Onliner nur von anderen Leuten gedachte Dinge ins Netz stellen, wird es nie gut sein.“ (Anja Stöcker)

Moderatoren machen Online. Und Onliner machen Radio. Natürlich sei das am Anfang schwierig gewesen, meint Anja, als Onliner plötzlich eine Sendung zu moderieren. Aber auch eine spannende Herausforderung – wie eigentlich alles im Bereich online. Wenn man mal wirklich drüber nachdenkt, ist es wie überall im Leben: Es ist nie fertig!

Crossmedia bei der Rheinischen Post: Die Sache mit dem Sport.

Foto 1

Wie in vielen Redaktionen wurde der Online-Bereich der Rheinischen Post 1996 unabhängig von der Printredaktion konzipiert und dann auch so geführt. Das sieht heute anders aus. Auch hier ist die Richtung klar: Online und Print sollen näher zusammenrücken, räumlich und gedanklich.

Den Elfenbeinturm verlassen

Im Gespräch mit Marc Hippler und Oliver Havlat wird klar, dass es manchmal einfach, aber mühselig sein kann, zum Beispiel indem man sich die Mühe macht, auch als Onliner den Weg in die einzelnen, kleineren Lokalredaktionen anzutreten, einfach mal „Hallo“ zu sagen und damit Online ein Gesicht zu geben. Hätte ich nicht schon fast missionarisch gebloggt, wie wichtig ich diesen Faktor Mensch für crossmediale Arbeit halte, ich könnte doch glatt schon wieder davon anfangen. Aber anderes Thema …

 Oliver Havlat, Redaktionsleiter bei RP-Online und Marc Hippler, Chef vom Dienst bei RP-Online

Oliver Havlat, Redaktionsleiter bei RP-Online und Marc Hippler, Chef vom Dienst bei RP-Online

Erstaunlich übrigens, dass die Crossmediale-Zusammenarbeit beim Sport immer besonders gut klappt, auch bei der Rheinischen Post. Vielleicht aber auch gar nicht so erstaunlich. Marc und Oliver haben da eine gute Erklärung:

1. Besondere Arbeitszeiten und -abläufe

Sport findet oft nicht im Tagesgeschehen statt. Sportereignisse halten sich an keinen Redaktionsschluss, und so kommt es nicht selten vor, dass Sportredakteure unabhängig von Print, TV, Radio oder Online am Ende des Tages die sind, die noch zusammen die Spätschicht stemmen. Das schafft ein Wir-Gefühl. Im Idealfall brennen diese Redakteure auch noch für den Sport und werden selbst um fünf vor zwölf in der Nacht nicht müde, drüber zu sprechen.

2. Sport ist unmittelbar

Dass Sport immer so aktuell wie nur möglich sein sollte, stellt wohl kaum einer infrage. Deswegen gibt es hier auch keine Diskussion um das wichtigere Medium oder darüber, ob Online First nun sinnvoll ist oder nicht. Sport passiert in Sekunden, und der sensationelle Pass in der ersten Halbzeit ist eine gute Überbrückung für die Halbzeitpause, aber in der Nachberichterstattung schon weniger spannend. Das stellt die Frage in den Hintergrund, ob nun das Kernprodukt die Information als erstes bringen sollte – oder die Online-Kanäle. Twitter, Liveticker etc. sind wie geschaffen für den Sport.

Damit das Pferd auch mal wieder in einen Anderen Zusammenhang als Lasagne gesehen wird! CMCoolidge, Flickr, CC BY 2.0

Das ist auch Sport! Kein Lasagne! (Bild: CMCoolidge, Flickr, CC BY 2.0)

Soweit die Erklärungen von Marc und Oliver. Aber je länger ich über die Sache nachdenke, desto mehr schließt sich für mich noch ein dritter Punkt an, der die crossmediale Arbeit im Sport beflügelt:

3. Sport ist immer emotional

Wir treffen uns mit Freunden in Kneipen, schleppen im Sommer unseren Fernseher auf den Balkon oder in den Garten, um dort mit Bier und Freunden unseren Lieblingssport zu gucken. Wir schreien, feuern an, beschimpfen, kommentieren und diskutieren. Kurzum: Wir wollen uns mitteilen! Und da sind wir auch schon im sozialen Netzwerk, der Welt von Twitter, Facebook und Co., dem virtuellen Stammtisch.

Sportereignisse machen es einfach verdammt logisch, alle Ausspielwege zu nutzen, die da sind. Je schneller, desto besser! Und das Schöne ist: Wir langweilen online noch nicht einmal jemanden damit. Die Leute entscheiden sich ja freiwillig dafür, den Liveticker oder den virtuellen Stammtisch zu besuchen. Das ist schön, wenn man überlegt, dass man beim Sport im Radio zum Beispiel immer eine Kosten-Nutzen-Rechnung machen muss: Ohne Sport geht nicht, ab wie viele Hörer schalten beim Sport weg?

Kopfrauschen

Ist das wirklich nur eine Besonderheit beim Sport, dass dort das Crossmediale so gut funktioniert – oder ist das nicht bei jedem Ereigniss so, das von Aktualität lebt? Auch Wahlen oder andere besondere Ereignisse sind Teamarbeit – und am Ende des Tages geht man aus der Redaktion geht und denkt: Ja, das haben wir gut gemacht! Wir haben Energien gebündelt! Wir waren aktuell und schnell! Und jetzt sind wir alle müde, bestellen noch schnell Fast Food und klopfen uns gegenseitig auf die Schulter!

Auf diese Erkenntnis trinke ich ein Pils und freue mich darüber, dass heute Fußball läuft.

Leuchttürme schaffen! Vorboten der Crossmedialität beim MDR Sachsen-Anhalt.

MDR

In Magdeburg hat man einen für mich ganz spannenden Ansatz: „Wir schaffen Leuchtturmprojekte, um zu zeigen, dass Crossmedialität funktionieren kann und sogar Spaß macht.“ Ein solches Leuchtturmprojekt war zum Beispiel das Projekt @9Nov89live. Die Idee dahinter war, den Tag des Mauerfalls per Twitter noch einmal zu erleben – mit sieben Protagonisten in Echtzeit.

Twitter first!

Nein, historische Ereigniss bei Twitter in Echtzeit zu posten, das ist keine Erfindung des MDR Sachsen-Anhalt. Spannend daran ist für mich viel mehr, dass nicht TV oder Radio zum Kernmedium gemacht wurden, sondern Twitter – und damit Kompetenz- und Egogerangel verhindert werden konnten.

Das Interview

Koordiniert haben das Projekt Frank Rugullis und Martin Hoffmann. Sie sprechen über das Projekt, Veränderungen, Fortschritte, Leuchttürme, Lichtblicke und darüber, warum es manchmal dann doch nicht schnell genug geht.

 

Nach einem Stück Überzeugungsarbeit konnte das Projekt dann an den Start gebracht werden. Klar, auf Twitter, aber auch on air und im TV mit einem großen Gesamtpaket aus Erklärstücken, Beiträgen, Hintergründen, Trailern und der Vorstellung der Protagonisten.

Vorangehen und Skepsis abbauen

Frank Rugullis kommt eigentlich aus dem Hörfunk, ist beim MDR Sachsen-Anhalt aber für die Vernetzung der trimedialen Projekte zuständig. Martin Hoffmann koordiniert und vernetzt Onlineprojekte. Beide sind sich einig, dass solche außergewöhnlichen Projekte gut tun, wenn man dauerhaft crossmediale Zusammenarbeit schaffen will. Leuchtturmprojekte brauche man genauso wie Leuchtturmpersönlichkeiten: Momente und Personen, die voran gehen, eine Idee davon geben, wie Crossmedialität funktionieren kann, aber auch die Skepsis vor neuen Ausspielwegen nehmen.

Lasst euch nicht anstecken! Crossmediale Ausbildung bei der Axel Springer Akademie.

Martin Heller. An der Springer Akademie für den Bereich Crossmedia zuständig.

Martin Heller ist Leiter des Bereichs Crossmedia der Axel Springer Akademie. Die Akademie versteht sich auch als „crossmediales Versuchslabor“. Zum Beispiel im Digitalprojekt „Liebenswert“: Passend zum Valentinstag haben Volontäre im Rahmen ihrer Ausbildung an der Akademie 35 meist interaktive Infografiken, 12 Videos, Spiele, Texte etc. konzipiert und erstellt.

Anforderungen an junge Journalisten

„Ich glaube, dass es für junge Menschen auf dem schwieriger werdenden Arbeitsmarkt wichtig ist, wenn man mehr als nur Schreiben kann.“ (Martin Heller)

Mit Martin habe ich über Anforderungen an junge Journalisten gesprochen und ihm auch die Frage gestellt, ob es nun diese Tausendsassas brauch. Mindestens müssten ein Grundverständnis da sein und die Grundlagen gelernt sein. Ob man sich dann am Ende doch spezialisiert, das sei eine andere Geschichte. Und vor allem dürften sich junge Journalisten nicht von der vorherrschenden Skepsis anstecken lassen.

LocalWebConference 2013: Zeit für ein Gespräch mit Lutz Knappmann von Süddeutsche.de

Ein langer Tag am Mittwoch auf der Local Web Conference 2013 in Nürnberg. Mir rauscht immer noch das Köpfchen. Könnte auch am akuten Schlafentzug liegen. Hab mir aber was gemerkt:  Das World Wide Web soll lokal sein! – behaupten jedenfalls alle Referenten und viele Statistiken sprechen dafür. Zum Glück kann man sich die vielen spannenden Beiträge nochmal Zuhause in hömopatischen Dosen genehmigen und zwar als Video-Podcast auf der Homepage der Local Web Conference.

Anderer schöner Nebeneffekt: Zeit zum Plaudern gefunden mit Lutz Kappmann, Stellvertretender Chefredakteur von Süddeutsche.de. Auf der Lokal Web Conference hat er über dieses Thema gesprochen: Näher dran – Lokaljournalismus im Web.

Lutz Knappmann: Stellvertretender Chefredakteur von Süddeutsche.de

Lutz Knappmann: Stellvertretender Chefredakteur von Süddeutsche.de

Crossmedia bei der Süddeutschen Zeitung

Wenn man Lutz Knappmann zuhört, hat man das Gefühl, bei der Süddeutsche Zeitung hat man sich eine schöne, funktionierende Crossmediale-Kultur geschaffen. Vieles scheint dort im Alltag umgesetzt zu werden, was den Namen crossmedial verdient, selbst wenn noch Luft nach oben ist. Dabei meine ich drei Faktoren ausgemacht zu haben, die dort die gute Zusammenarbeit ausmachen.

1. Die Nähe

Nähe ist hier erstmal ganz trivial als räumliche Nähe gemeint. Sport-Online sitzt bei Sport-Print. Wirtschaft-Print bei Wirtschaft-Online usw. Räumliche Nähe schafft aber zwangsläufig auch menschliche Nähe, Austausch und auch die Basis, um sich für die Arbeit des Anderen zu begeistern. Bei der Süddeutschen soll das so gut klappen, dass klassische Printredakteure Content extra für die Homepage schaffen. Wenn Onliner Video- oder Bildreportagen für die Homepage gestalten, arbeiten sie diese auch für die Druckausgabe auf.

2. Das Vertrauen

Vertrauen heißt hier, dass man gemeinsam die Grundwerte und Ansprüche des Kernprodukts vertritt. Printredakteure vertrauen Onlinejournalisten, dass diese die gleichen journalistischen Ansprüche haben. Das scheint nicht selbstverständlich zu sein. Dazu beigetragen hat auch eine Kontrollinstanz, die Onlinebeiträge abnimmt, auf Stil, Interpunktion und Rechtschreibung prüft. Hier sind wir erneut bei einem gemeinsamen Markenbewusstsein. Gemeinsam eine Marke sein.

3. Das Belohnungsprinzip

Online macht Lust, weil es uns so unmittelbar Feedback gibt. Auf wie viel Interesse ein Artikel gestoßen ist, wird eindeutig klar.  Im Extremfall durch Likes in sozialen Netzwerken, aber auch durch Abrufe auf der Homepage. Das kann auch für einen Printjournalisten befriedigend sein, wenn der eigene Artikel im Netz gut oder sogar überdurchschnittlich gut funktioniert. Damit wird der Onlinebereich, auch zu einem wichtigen Barometer für die Printausgabe. Welches Thema hat gestern besonders auf der Homepage gezogen? Sollte das nicht auch in die Druckausgabe bzw. sollten wir da nicht noch länger dran bleiben? So werden Themen auch von der Onlineredaktion in die morgendliche, große Konferenz eingebracht. Damit wird die Onlineredaktion mündig, als wichtiges Kommunikationsinstrument zum Leser und als Themeneinbringer und Themensetzer. Eine Kultur die auch bei der Süddeutschen wachsen musste und noch wächst.

Kopfrauschen

Ich wage in der zweiten Woche eine steile These: Crossmedia funktioniert nur da, wo es diese Nähe gibt! Nähe bedeutet wechselseitiges Interesse, sich öffnen und den Anderen verstehen wollen. So eine Kultur kommt nicht von ganz allein, daran muss man arbeiten. Ich lass mich aber gern eines besseren belehren und wäre sogar glücklich, wenn es ein Rezept gäbe, wie man Verbundenheit, ohne räumliche Nähe erschaffen kann.

„Crossmedia ist ganz natürlich“ – Gedanken über Crossmedia mit Jörg Wagner

Jörg Wagner ist wohl das, was man unter diesen „Tausendsassas“ versteht. Bei radioeins vom rbb moderiert er das Medienmagazin und beschäftigt sich darin jeden Samstag von 18 bis 19 Uhr mit Fragen und Ereignissen rund um Themen der Medienlandschaft.  Zusätzlich stemmt er die Homepage WorldWideWagner, eigentlich nur ein Nebenprodukt seines Archivierungsbedürfnisses – sagt er selbst. Eigentlich aber viel mehr, sage ich: ziemlich gelungene Crossmedia-Arbeit.

Jörg Wagner

Jörg Wagner

Crossmedia ist menschlich

Ganz schön spannend: In Zeiten, in denen es hitzige Diskussionen gibt, inwiefern uns die „neuen Medien“ von uns selbst entfremden, meint Jörg Wagner, dass die Menschheit schon immer crossmedial war. Es habe nur an technischen Fähigkeiten gemangelt. Jetzt aber sind sie da – und nur, weil wir die alten Zustände liebgewonnen haben, fällt es uns schwer, die Dinge wieder zusammenzubringen. Naja. Wir könnten es ja auch lassen, oder?

„Nein! Es ist wie in der Natur. Wer sich nicht anpasst, wird exotisch oder geht ein.“ (Jörg Wagner)

Das ganze Interview mit Jörg Wagner gibt’s hier …

Crossmediales im Kleinen – Ein Besuch bei Antenne Düsseldorf

Bildquelle: "Antenne Düsseldorf / Ronny Hendrichs"

Bild: Antenne Düsseldorf/Ronny Hendrichs

Es ist quasi ein Heimspiel für mich im NRW-Lokalradio. Keine riesige öffentlich-rechtliche Maschine, sondern eine kleine private Redaktion. Andere Probleme! Crossmedial arbeiten heißt hier nicht, Vorhandenes (TV, Radio, Online) zusammenzubringen, sondern selbst zu stemmen.

Online in der eigenen Hand

Dabei hat Antenne Düsseldorf einen großen Vorteil gegenüber vielen anderen Sendern der NRW-Lokalradios: Der Sender hat seine Website selbst in der Hand. Die Onliner sitzen nicht an einem anderen Ort und betreuen gleich mehrere Websites auf einmal. Wobei, was heißt hier Onliner? Onliner, das sind in diesem Fall die Radiomenschen, die das Know-how und die Lust an der Online-Arbeit mitbringen. Ansonsten machen sie nämlich Radio.

Der Faktor Mensch

Sind das also doch wieder diese modernen Tausendsassas, die in unzähligen Seminaren ausgebildet werden sollen?

Vermutlich brauchen kleine Redaktionen auch solche Menschen. Ja! Aber nicht nur. Viel wichtiger scheint mir überhaupt der Faktor Mensch, und da unterscheiden sich kleine Redaktionen dann doch nicht sehr von den Großen. Es ist wichtig, die Menschen zusammenzubringen, die zusammen ein Produkt gestalten. Mal bei einem Kaffee über Ideen zu sprechen, ein gemeinsames Denken zu entwickeln. Aber auch Wertschätzung für die Arbeit des Anderen zu bekommen.

Die Sendung mit dem Internet. Henning Bulka, Sabine Piel und Daniel Fiene

Die Sendung mit dem Internet: Henning Bulka, Sabine Piel und Daniel Fiene.

So sieht’s aus bei Antenne Düsseldorf

Crossmedial ist vor allem die Verbindung von Online und Radioprogramm: Themen aus den Sendungen finden sich auf der Website wieder und umgekehrt. Von den Nachrichten, die morgens online wandern, bis zu einzelnen Beiträgen und Kollegengesprächen, die in Form gebracht und mit Bild bestückt ins Netz gehen. Ja, manchmal hat das auch ein bisschen was von „von A nach B kopieren“, wäre da nicht ein weiterer spannender Ansatz: Die Website will durchaus mehr sein.

Was passiert vor meiner Haustüre?

Was Jutta aus Wittlaer, ganz im Norden von Düsseldorf, brennend interessiert, weil es sich direkt vor ihrer Haustür abspielt, ist Karl aus Benrath, ganz im Süden, ziemlich schnuppe. Umgekehrt natürlich auch. Wie lokal können wir sein – wann beschäftigen wir uns nur noch mit Sekundärinteressen?

Antenne Düsseldorf hofft, das Problem umgehen zu können, indem es dem Lokalen viel Raum auf der Website geben will. Das hat den Effekt, dass der Stadtteil sich mit Nennung im Programm wiederfindet und mehr Infos im Netz warten.  Spannend, wenn man überlegt, dass  laut Google schon jede dritte Suchanfrage eine lokale Suche ist, auf mobilen Geräten sogar fast jede zweite.

Lokal, aber nicht hinterwäldlerisch

„Lokal ist nicht, was lokal passiert, sondern was lokal interessiert.“ Von wem ist eigentlich dieser Satz? Ich habe ihn schon so oft, aus so vielen Mündern gehört. Auf jeden Fall finde ich, dass Antenne Düsseldorf ihn mutig umsetzt. Nicht nur, dass sich viele Netzthemen in den Sendestrecken wieder finden, man gönnt sich sogar eine kleine, feine Spezialsendung: Die Sendung mit dem Internet. Und verbindet sich sogar erstaunlich gut mit lokalen Themen. Das ist doch auch crossmedial.

Wir! Zusammen! Überall!

Eine große Bremse für crossmediales Arbeiten ist das Gerangel um Kompetenzen. Ist Radio oder Fernsehen jetzt wichtiger? Print oder Online? Aber ist das wirklich ein crossmediales Problem?

Nein. Denn Konkurrenz gab es schon immer. Zwischen Musikredaktionen und Wortredaktionen. Sport und Wirtschaft. Primetime und Drivetime. Und das sind nur ein paar Beispiele. Wie also den Schlamassel umgehen?

Gemeinsam eine Marke

Indem wir uns als gemeinsame Marke verstehen und als gemeinsame Marke positionieren. Coca-Cola trinken wir ja auch nicht nur, weil das Kernprodukt – braunes Wasser mit Koffein, Aromastoffen und Zucker – so verdammt gut ist, sondern weil Coca-Cola sexy ist, weil wir es in unseren Köpfen verankert haben und weil wir gelernt haben, dass das Zeug so schmecken soll und nicht wie Afri-, Fritz- oder Wer-weiß-welche-Marke-sonst-Cola.

Weil die Marke auch was über den Konsumenten aussagt, trinkt der Hipster in Hamburg auf der Schanze eben keine Cola, sondern Club Mate zu seinen Wildlederschuhen und Undercut.

Eine riesige Chance

Marken entstehen also nicht im Kernprodukt, sondern vor allem um es herum. Social-Media-Kanäle und das Netz im Allgemeinen geben uns eine gigantische Plattform, um uns zu vermarkten. Da können Zeitungen mit ihren Auflagen nur traurig gucken. Und das Schöne: Es ist erst einmal fast kostenlos. Wie blöd wäre es, das nicht zu nutzen?

Vermutlich wäre crossmediales Arbeiten also deutlich einfacher, würden wir aufhören, eine Zeitung zu sein, ein Radio, ein Fernsehsender, sondern einfach eine verdammt attraktive Marke – egal wo und wie!

Online first?

Daran schließt sich die Frage an, ob Dogmen wie „Online first“ überhaupt Sinn machen. Beschränkt uns das nicht wieder unnötig? Warum nicht die Information zuerst dort geben, wo man sie zuerst liefern kann? Entspricht das nicht viel mehr unserem journalistischen Jagdtrieb, die Ersten sein zu wollen?

Dazu fällt mir eine kleine Anekdote ein. Sandra Peters, Onlinerin und zuständig für Crossmedia bei der Aktuellen Stunde, hat mir am Freitag von einem Autor erzählt, der zwar keine richtige Vorstellung von Twitter hat, außer dass es wahnsinnig schnell ist und deswegen ganz versessen darauf ist, seine Themen auch zu twittern.

Da ist es wieder: Das Raubtier! Die Rampensau in uns! Gut, wenn es hilft!

Crossmedia ist kein neues Problem

Ein spannender Ansatz, den YOU FM Wellenchef Jan Vorderwülbecke da vertritt. Crossmedia sei nichts als ein altes Problem in neuem Gewand: die Angst der Medien und Journalisten vor Neuem.

Jan Vorderwülbecke YOU FM Wellenchef

Jan Vorderwülbecke, Wellenchef von YOU FM

Ein menschliches Problem

Die Angst vor Neuem, dem Ungewissen, ist vermutlich so alt wie die Menschheitsgeschichte, und wenn man ehrlich ist, kein Problem von Journalisten, sondern vom Menschen im Allgemeinen. Wir haben Angst vor Veränderungen, weil uns keiner sagen kann, wohin die Reise geht, wo sie endet und was sie mit uns macht.

Schon Video killed the Radio Star

Gebt’s ruhig zu, Radiomacher: MTV hat euch Angst gemacht! Heute immer noch? Nee, oder? Stimmt, jetzt sind die Alpträume Spotify und Co. Aber es gibt natürlich einen gehörigen Unterschied zu Crossmedia: MTV war ein Konkurrenzprodukt, aber es hat nicht den Job selbst verändert, es hat ihn höchstens gefährdet. Das ist im Zeitalter der Digitalisierung natürlich anders, weil sie andere Herausforderungen an uns stellt.

Wenn traditionelle Strukturen durcheinander geraten

Über Angst im Journalismus hat auch schon Dennis Horn bei „Was mit Medien“ geschrieben. Für den Artikel „Habt keine Angst“  hat er mit der Kölner Supervisorin Kirsten Annette Vogel vom TOP.IfM Institut für Supervision gesprochen:

“Wenn ich etwas tun muss, das nicht meine eigene Domäne ist, lehne ich das ab. Das ist eine völlig normale Reaktion. Journalisten, die es bisher gewohnt waren, nur ihre Artikel zu schreiben oder O-Töne zu schneiden, müssen nun zusätzlich das Internet mit ihren Inhalten bestücken. Das kann auch frustrieren.” (Kirsten Annette Vogel)

Angst im Journalismus ist ein starker Motor.

Angst im Journalismus ist ein starker Motor.

Daran knüpfen natürlich auch existentielle Ängste an. Denn wenn Crossmedia Synergien schaffen muss, um zu funktionieren, bedeutet das natürlich auch, dass wir vielleicht an unserem eigenen Stuhlbein sägen. Dass wir uns selbst überflüssig machen, wenn plötzlich Radio, TV und Print so gut zusammenarbeiten, dass einzelne Reporter überflüssig werden.

Neues birgt aber auch Chancen

Andererseits: Wäre das Leben nicht auch furchtbar langweilig, wenn immer alles gleich bleibt? Wenn wir immer wüssten was passiert? Oder, um das Bild mal weg von der Angst hin zu einem anderen großen Menschheitsthema zu bringen: Wie wahnsinnig schön ist es doch, frisch verliebt zu sein, wenn alles neu und aufregend und ungewiss ist!

Neues birgt auch Chancen, und damit schließen wir den Kreis wieder zu Jan Vorderwülbecke, der keine multimedialen Maschinen bei YOU FM fordert, sondern sich auch starke individuelle Kompetenz wünscht. Bei YOU FM gibt es deswegen die Crossmedia-Redaktion mit zwei glücklichen Redakteuren, deren Stellen es vor ein paar Jahren noch nicht gegeben hätte.